Wir stecken in der schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Die MitarbeiterInnen der Stadt kämpfen an vorderster Front gegen das Corona- Virus. Wie schaut es mit einer Prämie aus?
Christian Meidlinger: Zunächst gilt es DANKE zu sagen. Allen Kolleginnen und Kollegen – von den Gesundheitsdiensten über Ver- und Entsorgung, in der Verwaltung, der Technik oder in den pädagogischen Bereichen – alle waren und sind großartig. Sie leisten trotz der Pandemie verlässliche Arbeit für ein sicheres Wien. Aber ein Danke alleine reicht natürlich nicht. Wir haben in Wien sozialpartnerschaftlich ausverhandelt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die über einen längeren Zeitraum direkt und unmittelbar mit bzw. bei COVID-19-Patientinnen und Patienten gearbeitet haben, eine Prämie bekommen. Säumig ist die Bundesregierung, sie muss ihr Versprechen erst erfüllen, damit bei den Prämien niemand leer ausgeht. Das wäre auch ein wichtiger Impuls für die Konjunktur.
Apropos Sozialpartnerschaft: Funktioniert sie auch in der Krise?
In Wien zu 100 Prozent und vorbildhaft für viele Städte und Gemeinden. Und es hat sich wieder gezeigt, wie gut sie in schweren Zeiten funktioniert. Niemand musste sich um seinen Arbeitsplatz Sorgen machen und niemand war von Einkommensverlusten bedroht. Es wurden auch schnelle Lösungen für Home-Office, für Kinderbetreuung und für gesundheitsgefährdete Kolleginnen und Kollegen getroffen. Um eventuelle Ansteckungen zu verhindern, wurden Maßnahmen zur Sicherheit und Arbeitsorganisation umgesetzt. Für Kolleginnen und Kollegen in der Privatwirtschaft wurde zum Beispiel das Kurzarbeitsmodell entwickelt.
Wie laufen sozialpartnerschaftliche Verhandlungen eigentlich ab? Dauern die nur kurz, weil man sich ja kennt?
(lacht): Nur weil man sich kennt, schätzt und respektiert, heißt das noch lange nicht, dass es einfach ist. Es ist buchstäblich das Bohren harter Bretter. Wir verhandeln in Wien immer auf Augenhöhe, und das macht die Sozialpartnerschaft erfolgreich. Rechtskonforme Vordienstzeitenanrechnung, die Möglichkeit zum Umstieg in das neue Wiener Bedienstetengesetz, die Altersteilzeit, Regelungen zum Home-Office oder über 300 neue Dienstposten im KAV sind große Erfolge, aber immer ein Kompromiss – und das kann auch schon
einmal länger dauern. Es geht ja immer um viel Geld.
Wie läuft das auf Bundesebene?
Da fehlt oft die Augenhöhe. Der Bundesregierung geht es vor allemum Schlagzeilen oder sie ruft uns zu Hilfe, wenn sie uns braucht, wie bei der Kurzarbeit.
Gibt es eine Kluft zwischen dem, was die Regierung sagt, und was dann tatsächlich passiert?
Das ist eine tiefe Schlucht. Die Bundesregierung steckt immense Mittel in die PR, mit den tatsächlichen Problemen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder Arbeitslosen beschäftigt sie sich nicht. Ein Beispiel sind die Kindergärten. Die Beschäftigten werden von der Bundesregierung praktisch ignoriert. Da ist ein bundeseinheitliches Rahmengesetz überfällig. Aber auch bei diesem Thema bleiben wir dran!